Ephéméride éclectique d'une librocubiculariste glossophile et mélomane.
10 Juillet 2021
A nouveau quelques poésies d'Eva Strittmatter, pour mes chères V. et A.
Freiheit
Ich kann dich lieben oder hassen-
ganz wie du willst. (Kann dich auch lassen.)
Und du kannst schweigen oder sprechen.
Ganz wie du willst. Daran zerbrechen werd
ich nicht mehr. (Ich kann auch gehn.)
Ganz wie ich will, wird es geschehen.
© Aufbau Verlagsgruppe GmbH, Berlin 2006
(das Gedicht erschien erstmals 1973 in Eva Strittmatter: Ich mach ein Lied aus Stille. Gedichte. Nachwort von Hermann Kant im Aufbau-Verlag;
Lupine
Lupinenblau - so war doch was
In meiner Kindheit. War es Glas?
Was war so blaß wie die Lupinen,
Die sich wie wild dem Licht zudrehn,
Wie blaue Flammen, die nicht brennen
Und doch so überschnell vergehn?
Glas war es, Steine, Glitzerkram,
Weiß nicht mehr, wie er an mich kam,
Weiß nur noch dieses bleiche Blau,
Die Sehnsuchtsfarbe. Morgentau
Im leichten Himmelslicht erstarrt,
Und ein Gefühl von solcher Art:
Glückstropfen, in der Faust zerpreßt,
Verloren. Doch es blieb ein Rest
Der Sehnsuchtsfarbe Lerchenblau.
Lupinen brennen unterm Tau.
aus: Eva Strittmatter: Sämtliche Gedichte.
© Aufbau Verlagsgruppe GmbH, Berlin 2006
(das Gedicht erschien erstmals 1973 in Eva Strittmatter: Ich mach ein Lied aus Stille.
Gedichte. Nachwort von Hermann Kant im Aufbau-Verlag;
Liebe
Wie furchtbar auch die Flamme war,
In der man einst zusammenbrannte,
Am Ende bleibt ein wenig Glut.
Auch uns geschieht das Altbekannte.
Daß es nicht Asche ist, die letzte Spur von Feuer,
Zeigt unser Tagwerk. Und wie teuer
Die kleine Wärme ist, hab ich erfahren
In diesem schlimmsten Jahr
Von allen meinen Jahren.
Wenn wieder so ein Winter wird
Und auf mich so ein Schnee fällt,
Rettet nur diese Wärme mich
Vom Tod. Was hält
Mich sonst? Von unserer Liebe bleibt: daß
Wir uns hatten. Kein Gras
Wird auf uns sein, kein Stein,
Solange diese Glut glimmt.
Solange Glut ist,
Kann auch Feuer sein ..
STRITTMATTER, Eva: Ich mach ein Lied aus Stille. Gedichte. Aufbau-Verlag 1973, Edition Neue Texte, 1.Auflage, Berlin und Weimar, S. 31
Sinn
Wenn ich krank gewesen bin
(Sehr krank und in Krankenhäusern),
Kannte ich gut den Lebenssinn.
Und er war einfach zu äußern:
Licht auf der Haut. Und der grüne Duft
Von Fichtennadelseife.
Und die Freiheit zu gehen in irdischer Luft,
Die ich atmend begreife.
Und Sonnenwärme ist fast schon zuviel
Und ein Ereignis der Morgen.
Und Leben leicht wie ein zielloses Spiel.
Und Hysterie sind die Sorgen,
Mit denen man sich den Tag vergällt
Und die Freude am Dasein vernichtet.
Und wunderbar ist das Bild dieser Welt,
Wenn man es richtig belichtet.
Werte
Die guten Dinge des Lebens
sind alle kostenlos:
die Luft, das Wasser, die Liebe.
Wie machen wir das bloß,
das Leben für teuer zu halten,
wenn die Hauptsachen kostenlos sind?
Das kommt vom frühen Erkalten.
Wir genossen nur damals als Kind
die Luft nach ihrem Werte
und Wasser als Lebensgewinn,
und Liebe, die unbegehrte,
nahmen wir herzleicht hin.
Nur selten noch atmen wir richtig
und atmen die Zeit mit ein,
wir leben eilig und wichtig
und trinken statt Wasser Wein.
Und aus der Liebe machen
wir eine Pflicht und Last.
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Und das Leben kommt dem zuteuer,
der es zu billig auffasst.
aus: Eva Strittmatter: Sämtliche Gedichte.
©Aufbau Verlagsgruppe GmbH, Berlin 2006 (das Gedicht erschien erstmals 1977 in Eva Strittmatter:
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